Infotafel Niederburg Manderscheid

Die heutigen Ruinen der Manderscheider Burgen regen unsere Fantasie an. Wie mag die Niederburg, auf der Sie sich gerade befinden, „damals“ ausgesehen haben? Um der Antwort näher zu kommen, müssen wir zunächst einmal zurückfragen: Wann war „damals“?

Denn die Niederburg wurde über mehrere hundert Jahre immer wieder aus- und weiter- und auch um- gebaut. Den einen Zustand, wie die Burgen einmal „wirklich“ ausgesehen haben, gibt es also nicht. Woher wissen wir überhaupt etwas über die Manderscheider Burgen?

Bildbeschreibung: Nieder- und Oberburg Manderscheid von Westen. Kolorierter Kupferstich von Franz/Frans Hogenberg, vor 1590 (Aufnahme/Bearbeitung: Alexander Thon M. A., Lahnstein)

 

Archäologische Ausgrabungen und konsequente Bauforschung haben hier nie stattgefunden. Das meiste, was wir wissen, wissen wir aus sogenannten Quellen. Das sind Schriftstücke und auch Bilder aus der Vergangenheit wie z. B. der soeben beschriebene farbige Kupferstich, der etwa um das Jahr 1590 entstand. Ob die Burgen aber wirklich genau so ausgesehen haben, ist mehr als fraglich. Immerhin ist es die älteste bildliche Darstellung beider Burgen. Viele spätere Darstellungen wurden von diesem Kupferstich abgekupfert, also kopiert. Die Burgen selbst sind aber viel älter. Der älteste schriftliche Hinweis von Manderscheid wird auf den 26. Juni 973 datiert.

In einer auf diesen Tag datierten Urkunde schenkt Kaiser Otto II. dem Trierer Erzbischof einen Wald von Manderscheid an der Lieser bis zur Mosel. Zu dieser Urkunde gibt es aber zwei Aber:

Erstens bleibt unklar, ob mit dem Ortsnamen die Siedlung Manderscheid oder auch die (Ober-)Burg gemeint ist. Und zweitens existiert diese Urkunde nur in einer Abschrift aus dem 14. Jahrhundert – ein Original wurde nicht gefunden. Aus den Jahren 1145 und 1147 stammen dann die ersten einwandfreien Erwähnungen eines „castrum de Mandelskeid“, einer Burg von Manderscheid. Damit ist die Oberburg gemeint, die bis dahin einzige Manderscheider Burg. Sie gehört den Grafen (späteren Herzögen) von Luxemburg, die sie aber 1147 an den Trierer Erzbischof verlieren und nicht mehr zurückerhalten. In diesen Kontext passt es, dass 1201 zum ersten Mal ein Herr Dietrich der niederen Burg („Theodoricus dominus minoris castri de Manderscheit“) erwähnt wird. Aber auch diese Schriftquelle ist nur aus einer späteren Kopie erhalten. Es gibt allerdings mehrere Bestätigungen durch die damaligen Päpste, dass die Manderscheider (Ober-)Burg dem Erzbischof von Trier als Eigentum gehören soll; die letzte stammt aus dem Jahr 1190.

 

Bildbeschreibung: Grundriss der Niederburg (Sieper 1950)

 

Vermutlich begannen die Luxemburger irgendwann im späten 12. Jahrhundert mit dem Bau der Niederburg als Gegenburg zur nun trierischen Oberburg.

Im Laufe der nächsten Jahrhunderte wurde die Niederburg vom Bergfried aus den Hang hinab immer weiter ausgebaut. Aus einer Schriftquelle, die auf den 14. Februar 1437 datiert ist, wissen wir, dass die genau hundert Jahre zuvor zum ersten Mal schriftlich erwähnte Talsiedlung Niedermanderscheid mit einem Mauerring umgeben war. Teil dieses Rings war der zweite heute noch erhaltene (Halb-)Rundturm, den Sie bei genauem Hinsehen südlich der Burg entdecken können und der auf den Darstellungen des 19. Jahrhunderts gut zu sehen ist.

 

Bildbeschreibung: Kreidelithografie Heinrich Buntzen 1840

 

Anlass des Schriftgutes war ein Privileg, das Dietrich II. von Manderscheid für die Bewohnerinnen und Bewohner vor und in der Niederburg erteilte: Sie wurden zu Bürgerinnen und Bürgern und bekamen gewisse Freiheitsrechte – sogar Burgsiedlungsluft machte frei, wenn auch nicht so sehr wie Stadtluft. Über das Leben auf der Burg erfahren Sie mehr in der App „Zeitreise Niederburg“.

 

Die Familie der Herren von Manderscheid ist nach ihrer Stammburg – der Niederburg – benannt. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit wurden neben Burg Kayl (Oberkail) allerdings die Schlösser Schleiden und Blankenheim die Hauptsitze der wichtigsten Manderscheider Familienlinien. Dietrich von Manderscheid war es auch, der sich 1457 zum ersten Mal als Jung-Graf bezeichnet – allerdings ohne offiziell dazu das Recht gehabt zu haben. Da aber niemand Anstoß daran nahm, blieb der Titel bis zum Aussterben der Adelsfamilie von Manderscheid im frühen 19. Jahrhundert bestehen.

 

Bildbeschreibung: Wappen der Manderscheider aus dem Wappenbuch des Conrad Grünenberg, ca. 1483

 

Das Wappen der Manderscheider ist heute auch das Wappen der Stadt Manderscheid:

Ein roter Zickzack-Balken auf goldenem Grund. In dieser Form besteht es spätestens seit dem 15. Jahrhundert, wie eine Abbildung aus einem Wappenbuch von 1480 zeigt. Ein älteres Wappenbuch von ungefähr 1340 zeigt es allerdings noch als roten Zickzack- Balken auf silbernem Grund. Überliefert ist das Wappen auch auf zahlreichen Siegeln, denn das Meiste, was wir heute von den Mandescheidern wissen, wissen wir aus den Ver- waltungsschriften, die sie als Herren und Grafen anfertigten und die bis in die heutige Zeit in Archiven erhalten sind.

Ohne die mittelalterliche Bürokratie wären die zwei Burgen nicht viel mehr als stumme Zeugen der Vergangenheit. Für eine so einzigartige und gut erhaltene Doppelburgruine wie die der zwei Burgen von Manderscheid müssen wir zugeben, dass wir noch gar nicht so viel über sie wissen. Manche Geheimnisse sind in ihren Schiefermauern verschlossen. Historikerinnen und Historiker schließen diese Lücken mit wissenschaftlicher Methodik – soweit das eben möglich ist. Alle anderen dürfen ihre Fantasie nutzen.